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Die Entfremdungs-Lüge

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In den letzten Jahren wird immer mehr Müttern das Sorgerecht entzogen. In der Podcastfolge geht es um Sorgerechtsstreits, bei denen eine Täter-Opfer-Umkehr stattfindet. Stephanie Schmidt und Heiko Rahms haben dazu drei Jahre lang recherchiert und festgestellt, dass rechte Netzwerke Familiengerichte unterwandern und so gewalttätigen Partnern und Vätern helfen, straffrei davon zu kommen. Teils verliert dabei die Mutter am Ende das Sorgerecht, obwohl  sie vor Gericht gezogen ist, um sich und ihre Kinder vor der Gewalt zu schützen. Wie geht das? 

Die Journalist*innen stoßen bei ihrer Recherche auf bestimmte Begriffe, die in Gutachten verwendet werden, um gegen Mütter und Kinder vorzugehen. Begriffe wie "Bindungsintoleranz", "trennungsinduzierter Kontaktabbruch", "Entfremdungsverhalten" und "PAS" (Parental-Alienation-Syndrom) findet man immer häufiger in diesen Gutachten wieder. Das "Parental-Alienation-Syndrom“ soll den Prozess beschreiben, bei dem die Mutter ihr Kind so manipuliere, dass das Kind vom Vater "entfremdet" werde. Das wird dann als Kindeswohlgefährdung dargestellt, da der leibliche Vater essentiell für die gesunde Entwicklung des Kindes sei, so die Argumentation. Wissenschaftlich fundiert ist das laut dem ärztlichen Direktor für Kinder- und Jugendpsychiatrie an der Uniklinik Ulm, Joerg Fegert, nicht, da die Bindung nicht durch den biologischen Aspekt entstehe, sondern durch die Qualität einer Bindung. Zahlreiche Studien belegen, dass sich die Abwesenheit eines biologischen Elternteils kaum negativ auf die Entwicklung eines Kindes auswirkt, solange andere qualitative Bindungen vorhanden sind. Doch das Narrativ wird dennoch an deutschen Familiengerichten immer wieder herangezogen, um gewalttätige Partner und Väter zu schützen. Anwalt Professor Christian Laue beschreibt das Vorgehen als "Mütterfeindlichkeit". Er sagt, dass die oben genannten Begriffe fast ausschließlich in Gutachten für die Mütter verwendet und ihnen so zum Nachteil ausgelegt werden. 

Auch international ist dieser Missstand an deutschen Gerichten bekannt. Reem Alsalem, UN-Sonderberichterstatterin zu Gewalt gegen Frauen und Mädchen, bezeichnet in einer Rede in 2023 die institutionelle Gewalt durch Familiengerichte als unerkanntes Menschenrechtsproblem (ihren Bericht dazu in englischer Sprache finden Sie hier). Auch in anderen Ländern sei das Problem vorhanden. Deutschland nahm zu den Vorwürfen bisher keine Stellung. 

Drei Gruppierungen profitieren laut den Journalist*innen besonders von der frauenfeindlichen Argumentation, die sich an deutschen Familiengerichten etabliert hat: Erzkonservative, Väterrechtler und Pädophile. Eine wichtige Rolle spielt dabei der US-Amerikaner Richard Gardner, der als Erfinder des "Parental-Alienation-Syndromes" gilt. Seine Argumentationen sind durchzogen von Frauenfeindlichkeit und der Rechtfertigung des Kindesmissbrauchs und deshalb auch stark umstritten. Seit den 2000ern formiert sich um diese Narrative in Deutschland eine Gruppe, die sich mit der Zeit radikalisiert und systematisch daran abarbeitet, die Argumentation zu verbreiten. Die Journalist*innen beschreiben im Detail, wie gut vernetzt diese Gruppierungen nicht nur auf nationaler, sondern auch auf internationaler Ebene sind. Letztendlich zielt die Gruppe darauf ab, Gewalt gegen Frauen zu rechtfertigen und reiht sich damit ein in die immer stärker vernetzte rechtsextreme Bewegung der "Neuen Rechten", die sich dem Antifeminismus verschrieben hat. 

Im Jahr 2023 hat das Bundeverfassungsgericht PAS und andere Konzepte der "Eltern-Kind-Entfremdung" als fachwissenschaftlich widerlegt bewertet. Das hat jedoch in der Praxis bisher nicht viel verändert. 

Die Podcastfolge ist ein Beitrag von Stephanie Schmidt und Heiko Rahms.

Bemerkungen

In der Folge werden Fälle von sexualisierter Gewalt und Gewalt gegen Kinder thematisiert. Das kann (re-)traumatisierend wirken. Bei Bedarf sollte die Folge nur in Begleitung einer Bezugsperson angehört werden. 

Einen Begleitartikel mit weiterführenden Informationen finden Sie hier